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 • Wissenschaft

UseTheNews: Informationsverhalten und Wissenschaftskommunikation

Ein kleiner Blick auf die kürzlich erschiene #UseTheNews Studie zum Informationsverhalten von Jugendlichen mit Fokus auf den Bereich Wissenschaftskommunikation.

Die Studie

Für die Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung (Hasebrink et al. 2021) wurden „eine Reihe von qualitativen Gruppendiskussionen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie eine Repräsentativbefragung zur Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz bei drei Altersgruppen (14 bis 17 Jahre, 18 bis 24 Jahre, 40 bis 50 Jahre)“ (S. 5) durchgeführt.

Uwe Hasebrink, Sasche Hörig und Leonie Wunderlich differenzieren in der Studie zwischen vier Nutzungsgruppen: „journalistisch Informationsorientierte”, „umfassend Informationsorientierte”, „gering Informationsorientierte” und „nicht-journalistisch Informationsorientierte” (S. 20-26).

Hinsichtlich der Anteile der Gruppen im untersuchten Sample „zeigen sich deutliche Unterschiede der jeweiligen Anteile mit Bezug auf Alter und Bildung” (S. 26). Da es im folgenden nur um die 14-17 jährigen gehen sollen, können die Unterschiede zwischen den Altersgruppen ignoriert werden. Die Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung sind hingegen in dieser Altersgruppe besonders deutlich.

Während unter der Gruppe der Jugendlichen mit „formale hoher Bildung” — gemeint sind diejenigen, die Abitur oder Studium besitzen oder anstreben — nur 32 % den „gering Informationsorientierten” und „nicht-journalistisch Informationsorientierten” zugeordnet wurden, waren es bei denjenigen mit „formal niedriger Bildung” 65 % (S. 11). Also durchaus relevante Gruppengrößen1:

Balkendiagramm mit den Anteilen der vier verschiedenen Typen der Nachrichtenorientierung in der Altersgruppe 14-17 Jahre und getrennt nach formal niedriger und hoher Bildung.

Typen der Nachrichtenorientierung (14-17 Jährige)

Anteile in der Altersgruppe 14-17 Jahre und getrennt nach formal niedriger und hoher Bildung. Grafik: Christian Humm; Quelle: Hasebrink et al. 2021, S. 11; Lizenz: CC-BY 4.0

Themenpräferenz

Unter den 11 in der Studie untersuchten Themenbereichen liegen „Berichte über Wissenschaft und Technologie” ingesamt betrachtet hinsichtlich eines äußert oder sehr hohen Interesses bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren auf dem drittletzten Platz. Das Interesse an Neuigkeiten aus Wissenschaft und Technologie scheint also insgesamt unter Jugendliche zumindest nicht sehr stark ausgeprägt zu sein.

Balkendiagramm mit den Anteilen der sehr oder äußerst interessierten Jugendlichen in der Altersgruppe 14-17 Jahre und getrennt nach Themengebieten.

Themenpräferenzen (14-17 Jährige)

Anteile der sehr oder äußerst interessierten Jugendlichen getrennt nach Themengebieten. Grafik Christian Humm; Quelle: Hasebrink et al. 2021, S. 28; Lizenz: CC-BY 4.0

Insbesondere Jugendliche aus den Gruppen der „gering Informationsorientierten” und „nicht-journalistisch Informationsorientierten” gaben mit 14 % bzw. 12 % vergleichweise selten an, sich äußerst oder sehr für Themen aus dem Bereich Wissenschaft und Technologie zu interessieren. Bei den beiden anderen Gruppen lagen die Werte hingegen bei 39 und 40 % (S. 28).

Balkendiagramm mit den Anteilen der sehr oder äußerst interessierten Jugendlichen am Themengebiet „Berichte über Wissenschaft und Technologie“, getrennt nach den vier Typen der Nachrichtenorientierung.

Themenpräferenz „Berichte über Wissenschaft und Technologie“ (14-17 Jährige)

Anteile der sehr oder äußerst interessierten Jugendlichen am Themengebiet „Berichte über Wissenschaft und Technologie“, getrennt nach den vier Typen der Nachrichtenorientierung. Grafik Christian Humm; Quelle: Hasebrink et al. 2021, S. 28; Lizenz: CC-BY 4.0

Es scheint sich also auch hier ein bereits anderswo festgestellter Bildungseffekt bei der Nutzung von Wissenschaftskommunikation zu zeigen (vgl. bspw. Dawson 2020 , Schrögel et al. 2018 ).

Mediennutzung

Für die beiden zuvor genannten Nutzer*innengruppen der „gering Informationsorientierten” und „nicht-journalistisch Informationsorientierten” ist als Informationsquelle vor allem Social Media (mit 74 bzw. 100 % mehrfacher wöchentlicher Nutzung) relevant. Alle anderen Quellen — Radio, TV, Podcasts etc. — sind im Vergleich relativ unwichtig für die beiden Gruppen (S. 30).

Konkret nutzen die beiden Gruppen vor allem WhatsApp (68 bzw. 91 %), YouTube (60 bzw. 81 %), Facebook (62 bzw. 79 %), Instagram (40 bzw. 77 %) und — bereits etwas abgeschlagen — TikTok (29 bzw. 51 %) mehrmals wöchentlich als Informationsquelle (S. 31).

Wenn man die Jugendlichen — aller vier Gruppen — dort abholen möchte, wo sie sind, dann böte sich Social Media also an. Allerdings folgen die Jugendlichen dort äußerst selten Wissenschafler*innen. Nur bei den „umfassend Informationsorientierten” haben 15 % solche Akteur*innen abonniert, bei allen anderen Nutzer*innengruppen liegen die Zahlen im niedrigen einstelligen Bereich (S. 31).

Balkendiagramm mit den Anteilen der Jugendlichen, die Wissenschaftler*innen in Sozialen Medien abonniert haben, getrennt nach den vier Typen der Nachrichtenorientierung.

Abonnierte Wissenschaftler*innen in Sozialen Medien (14-17 Jährige)

Anteile der Jugendlichen, die Wissenschaftler*innen in Sozialen Medien abonniert haben, getrennt nach den vier Typen der Nachrichtenorientierung. Grafik Christian Humm; Quelle: Hasebrink et al. 2021, S. 31; Lizenz: CC-BY 4.0

Auch das aktuelle Lieblingsmedium der deutschen WissKomm-Landschaft — Podcasts — bietet auf den ersten Blick keinen einfachen Ausweg. Zwar sind die Nutzungszahlen erstaunlich hoch — jeweils 35 % bei den „umfassend Informationsorientierte” und den „nicht-journalistisch Informationsorientierten” (S. 30). Wissenschaftler*innen machen aber nur einen geringen Anteil der Akteur*innen in den gehörten Podcasts aus, wie die folgenden Zahlen zeigen (S. 32):

Balkendiagramm mit den Anteilen der Jugendlichen, die Podcasts von Wissenschaftler*innen hören, getrennt nach den vier Typen der Nachrichtenorientierung.

Podcasts von Wissenschaftler*innen (14-17 Jährige)

Anteile der Jugendlichen, die Podcasts von Wissenschaftler*innen hören, getrennt nach den vier Typen der Nachrichtenorientierung. Grafik Christian Humm; Quelle: Hasebrink et al. 2021, S. 32; Lizenz: CC-BY 4.0

Meinungsbildungsrelevanz

Damit einher geht auch die unterschiedliche Bedeutung von Wissenschaftler*innen für die Meinungsbildung der vier Nutzer*innengruppen (S. 65).

Bei den „journalistisch“ und „umfassend informationsorientierten“ Jugendlichen hielten 34 bzw. 41 % Wissenschaftler*innen für „äußerst“ oder „sehr wichtig“ für die eigene Meinungsbildung. Damit lagen diese auf Rang drei hinter„Freunde, Familien, Bekannte“ und „Journalistischen Nachrichtenmedien“.

Hingegen teilten bei den beiden anderen Gruppen nur 9 bzw. 12 % diese Einschätzung. Womit Wissenschaftler*innen bei den „gering Informationsorientierten“ gleichauf mit sogenannten Aktivist*innen auf Platz 5 und bei den „nicht-journalistisch Informationsorientierten“ auf Platz 6 von 10 lagen.

Informiertheit

Wenig überraschend lässt sich auch bei der „Informiertheit" zu bestimmten Themen — abgefragt wurde Faktenwissen — ein Unterschied zwischen den Gruppen und damit indirekt auch ein Bildungseffekt feststellen:

Bei der einzigen Frage bei der ein klarer Wissenschaftsbezug gegeben ist („Fracking ist eine Methode …”), gaben 59 bzw. 56 % der Befragten aus den beiden Gruppen der „journalistisch” bzw. „umfassend Informationsorientierten” die richtige Antwort. In den beiden anderen Gruppen hingegen konnten dies nur 31 bzw. 33 % (S. 36).

Fazit

#UseTheNews liefert einige interessante Einsichten hinsichtlich des Informationsverhalten von Jugendlichen, die auch für den Bereich der Wissenschaftskommunikation relevant sind:

  1. Berichte über Wissenschaft und Technologie stoßen bei Jugendliche insgesamt auf ein — im Vergleich zu anderen Themen — geringeres Interesse.
  2. Insbesondere in den beiden Nutzer*innengruppen, die am wenigsten Nachrichten mit Bezug zu Wissenschaft und Technik nutzen, scheinen Personen mit „niedriger formaler Bildung“ überrepräsentiert zu sein. Es liegt also die Annahmen nahe, dass es hier bei der Nutzung von Wissenschaftskommunikation einen Bildungseffekt gibt und formale Bildung ein Exklusionsfaktor ist (Humm et al. 2020 ).
  3. Social Media ist der meist genutzte Informationskanal dieser beiden Gruppen. Wissenschaft wird aber auch darüber vergleichsweise selten rezipiert.
  4. Deswegen dürfte es nicht ausreichen, einfach nur mehr Wissenschaftskommunikation auf diesen Kanälen anzubieten, um diese Gruppen stärker anzusprechen. Dafür spricht auch das geringe Interesse an Podcasts von Wissenschaftler*innen unter den „gering Informationsorientierten“ und „nicht-journalistisch Informationsorientierten“.

Leider stehen die Daten der Studie nicht offen zur Verfügung — ein weiteres Indiz dafür, dass es bezüglich Open Data in der deutschen Sozial- und inbesondere der Kommunikationswissenschaft noch ein großes Potenzial für Verbesserungen gibt. Mit den Daten wären weitergehende und zielgerichtetere Auswertungen — bspw. Berechnungen der Signifikanz des Bildungseffekts — sowie das leichtere Erstellen von Visualisierungen möglich gewesen.

Außerdem unterliegt natürlich auch diese Studie methodisch bedingten Einschränkungen. Wichtig ist hier insbesondere der Studienfokus auf „Nachrichten“, da es natürlich auch Wissenschaftskommunikation außerhalb des nachrichtlichen Kontext gibt.


  1. Bei den anderen Altersgruppen der Studie (18-24 und 40-50 Jahre), sind die Unterschiede geringer. Dies könnte eventuell mit einem mit dem Alter sich verändernden Informationsverhalten oder mit Befragungseffekten - Stichwort Soziale Erwünschtheit - zu tun haben. ↩︎